MALEREI

MALEREI

MALEREI   1993-1996

MALEREI   1997-2005

TEXT - INES KOHL

Die Malerei selbst wird in Konsequenz zum Inhalt, die sich zwar an einem Thema - Natur, Farbe, Gegenstand - entzündet, diesen gegenständlichen Auslöser jedoch schnell verläßt, um seine inneren Strukturen zu ergründen.

Spontan, ohne Vorzeichnung oder Skizze, legt Walter Böhm kraftvolle, breite Farbbahnen über den Malgrund, baut Bildraum von hinten nach vorne auf und läßt so durch Überlagerungen räumliche Strukturen entstehen, die mehrfache Perspektiven und Durchblicke auf vorhergehende Schichten ermöglichen. Doch der spontane Zugriff macht allein das Bild noch nicht aus. Er schafft Konflikte, die nach Lösungen suchen. Böhm sucht sie in der Dialektik einer Malerei, die bewußt durch Überschneiden, Verdecken, Offenlassen zu Ergebnissen findet, die nur bedingt absehbar sind. In diesem Malprozess wird das Thema durch Demontage und Konstruktion verinnerlicht und in die Malerei entlassen.

Variationen über Schwarz und Weiß waren der Versuch, auch noch die Farbe als erzählerischen Stimmungsgehalt auszuschalten und beweisen die Aussagemöglichkeiten purer Malerei in der Grauwerteskala.

Mit der Schichtung der Farbvolumina stellt der Maler die Frage nach einer Struktur, mit der Aspekte der Wirklichkeit sichtbar gemacht werden können, denn es geht nicht um die Expression psychologisierender Inhalte, nicht um einen Kommentar zur gesehenen Welt, sondern um die Analyse visueller Erlebnisse.

Der Einfluss des abstrakten Expressionismus kreist durch diese Malerei, die Figur und Gegenstand hinter sich lässt und auf der Bildfläche die abstrakte Form im Fluß hält. Vor allem aber ist es der Maler selbst, der sich mit analytischer Konstruktion von der Wirklichkeit distanziert auf dem Weg zu ihrer Umsetzung in eine "innere Abstraktion". In eine Abstraktion vom inneren Bild, das nicht mehr an traumhafter Narrativität festgemacht wird, wie das bei COBRA oder der SPUR der Fall ist. Sie entwickelt sich aus einem prozessbetonten Vorgehen, das der Malerei den Primat einräumt vor der Imagination, das nur noch Erinnerungen an Inhalte zulässt, die Vorstellung von etwas Bestimmten aber eher ausschalten will.

Die Dramatik seiner Malerei ist heftig - nicht im Sinne von Schnelligkeit, sondern von Intensität - getragen von einem eher ruhigen, kraftvollen Farbfluss, wie Turbulenzen in einem breiten Strom. Es geht um die Freisetzung der Malerei und um die spürbare Materialität der Farbe und um eine Unmittelbarkeit, deren Vorstellung sie entstammt.

Die Farbe kann gedämpft sein oder kontrastreich, immer ist sie schwergewichtig. Dynamische Farbschwünge verschlingen sich, verbreitern sich zu richtungsweisenden Bahnen, verdichten sich zu Knäueln und geben verschiedene Perspektiven frei. Sie schichten sich zu Gerüsten, die dahinterliegende Ebenen erkennen lassen, weisen über den Bildraum hinaus und haben trotzdem einen klaren inneren Schwerpunkt.

Die Ruhe und der Ernst, die von diesen scheinbar so tumultuösen Bildern ausgehen, sprechen von der Hartnäckigkeit in der Auseinandersetzung und einer zielbewussten Suche nach den inneren Strukturen der Realität und somit nach den inneren Strukturen der eigenen Position zur Welt.

Auf den Bildern werden sie sichtbar als ganz konkrete Projektionen einer individuellen Vorstellung von Wirklichkeit.

INES KOHL - Kunsthistorikerin


MALEREI   2009-2015

TEXT - CHRISTIAN BURCHARD


Eine hügelige Landschaft mit Waldkuppen versperrt den Blick auf einen fernen Horizont. Keine reissenden Gebirgsströme zerteilen das Land, sondern träge, ruhig diahinströmende Flüsse und Bäche bewegen sich gemächlich zwischen den sanft ansteigenden Bergrücken. Unterhalb des Waldsaumes beginnt die bunte Schichtung von Kulturflächen. Im Frühjahr ist es die starre Parallelität der frisch gezogenen Furchen, welche den Ordnungsinn des Auges sättigt. In den Niederungen sammelt sich Nebel und die graubraunen Brachflächen wachsen von Jahr zu Jahr. Der leichtfüssige Frühling verschwendet seine Farbenpracht in kurzen Atemstössen von Grün und strahlendem Gold, von Silber und Weiss, die Waldinseln auf den Bergkämmen erwachen zu zittrigem  Grün und auf dem Waldboden verstecken sich blaue Veteranen unter ihren schwarzgrünen Schildern.

Der Sommer greift vollmundig in die Klaviatur, spielt schwere Akkorde in Dur und Moll und ein tausendfaches grünes Echo schallt zurück aus den abgeschiedenen Tälern der Oberpfalz.

Nahtlos reiht sich Fläche an Fläche, jedes Feld hat seinen eigenen Ton - kein Grün gleicht dem anderen. Die Flächen verknüpfen sich zu einem Farbteppich, der die weichen Rundungen der Mittelgebirgslandschaft noch weicher macht - eine heitere Kantate mit geistigen und weltlichen Weisen.


"Die Landschaft ist eigentlich ganz abstrakt", sagt Walter Böhm, der sich schon früh von der Geometrie der sommerlichen Felder in seiner Heimat inspiriert fühlt, der Partitur aus Flächen und Linien und den unendlichen Modulationen einzelner Grundfarben. Der Künstler experimentiert mit freien Kompositionen, deren einzige Funktion in ihrem farblichen Zusammenklang liegt.

Dabei sind die ersten Bildreihen monochrom, um das Bildkonzept durch symbolische Farbbezüge nicht einzuengen. Im Hintergrund schwingt das Erlebnis von Schichtung und Konstruktion als ordnendes Prinzip mit.


Nicht die emotional aufgeladene europäische informelle Malerei ist bestimmend für Walter Böhm, sondern die Auseinandersetzung mit der programmatischen Intensität der amerikanischen Farbfeldmalerei - Mark Rothko, Barnett Newman, Frank Stella: Eine radikale Form der unpolitischen làrt pour làrt, die sich in ihrem Selbstverständnis im Einklang mit der Natur sieht und als Gegenpol zu urbanen Kunstbewegungen wie z.B. Pop Art und der von ihr beeinflussten Kunstrichtungen.


Auch Böhm thematisiert den offenen, leeren Raum, verteidigt von neuem die Autonomie der Bildoberfläche, die grosse Künstlerutopie der frühen Moderne. Die leere Bildfläche ist das Ganze, das durch den Werksprozess rekonstruiert wird. Dekonstruktion ist zugleich Konstruktion und Schichtung. Tausendfache Asymmetrie ergibt eine gestraffte, kraftvolle Symmetrie - sichtbarer Ausdruck einer ästhetischen Natur- und Raumordnung.


CHRISTIAN BURCHARD - Villa Stuck - München

MALEREI 2015-2018

MALEREI 2018 - 2021

     MALEREI 2022

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